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Popkultur

20 Jahre „Tyrannosaurus Hives“: Als The Hives den Rock’n’Roll retteten

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The Hives
Foto: Matt Carmichael/Getty Images

The Hives donnern vor 20 Jahren mit Tyrannosaurus Hives als neue Herrscher in die Welt des Garage-Rock-Revival. So großmäulig und voller Chuzpe war diese Musik lange nicht.

von Björn Springorum

Ach ja, die frühen Zweitausender. Das letzte große Aufbäumen des Rock’n’Roll. Nach dem Herrscherjahrzehnt von Grunge und Alternative in den Neunzigern ist es im neuen Millenium Zeit für eine Wachablösung. Mit dem Siegeszug des Internet, einer neuen europäischen Währung und einem ausgebliebenen Rechnercrash zur Jahrtausendwende zieht ein frischer Wind durch die Gitarrenverstärker. Das Garage-Rock-Revival macht vergessen geglaubte Tugenden aus den Sechzigern plötzlich wieder en vogue.

Nicht ohne mein „The“

Zu verdanken ist das Bands wie The Strokes, The Hives, The Yeah Yeah Yeahs oder The White Stripes. Egal, Hauptsache man hat ein „The“ im Namen. Der Gammellook des letzten Jahrzehnts weicht einer sorgsam kuratierten Anknüpfung an den rebellischen Style der Ramones oder den Geist von The Velvet Underground. Die Musik wird simpler, direkter, naturbelassener. Es darf wieder schrammeln, es soll fiepen, es muss kreischen. Erlaubt ist, was so weit von Rap Rock entfernt ist wie möglich. Die Strokes mögen diese Revolution 2001 von New York City aus gestartet haben. Doch die Saat für diesen Umsturz ist damals längst weltweit gesät.

In Schweden übernehmen The Hives sehr schnell die Vorherrschaft. Ihre schwarzweiße Ästhetik und ihr eleganter Anzugslook wirkt retrofuturistisch und nostalgisch zugleich, der gute alte Rock’n’Roll kommt hier aber eben nicht mit polierten Tanzschuhen, sondern mit weißen Sneakern. Nach ihren beiden Platten Barely Legal (1997) und Veni Vidi Vicious (2000) ist auch für die Hives der große Moment der Wahrheit gekommen. Das dritte Album ist das Make It Or Break It-Ding der Band aus Südschweden. Davor gab es Knatsch mit ihrem alten Label Epitaph, weil die Plattenfirma ohne das Wissen der Band die Rechte an ihren eigenen Songs an Warner Bros. verkauft haben soll. 

Millionenschwere Schweden

The Hives reagieren prompt. Und unterschreiben bei Universal. Zehn Millionen US-Dollar soll dieser Deal schwer gewesen sein, ein guter Referenzpunkt für die Größe, die man dem Garage-Rock-Revival damals zugesteht. Man kann auch sagen: The Hives wissen, dass sie liefern müssen. Und sie liefern. Nach ausgedehnten Touren und Preisen für unter anderem Best Dressed Band ziehen sich die Schweden in ihr Heimatdorf Fagersta zurück, um ihre erste Platte für Universal aufzunehmen.

Was in der ländlichen Abgeschiedenheit zwischen Seen und Wäldern entsteht, ist explosiver Stoff. Knappe 30 Minuten soll das Album am Ende dauern, mehr Zeit brauchen Howlin’ Pelle Almqvist, Nicholaus Arson, Vigilante Carlstroem, Dr. Matt Destruction und Chris Dangerous nicht für ihr definitives Statement. Die Vintage-Gitarren fauchen punkig, die Frisuren sitzen, die Songs sind bei aller Rotzigkeit von einer feinen Pop-Mentalität. Das ist ein gefundenes Fressen für die Jünger dieser neuen Bewegung. Sinnhaft ist das nur bedingt, Spaß macht es dafür umso mehr.

Arrogant und liebenswert

Das sorgt in Schweden wie in Deutschland oder den USA für große Erfolge. Wer die Band schon vorher auf dem Schirm hatte, wendet sich natürlich stilecht angewidert ab von dieser neuen Konsensband, die man ja schon vor fünf Jahren ganz toll fand. Der entspannte Rest freut sich über ein Feuerwerk an Garage-Rock-Krachern, die perfekt in den Juli passen, in dem dieses Album erscheint. Indie-Festivals kommen spätestens jetzt nicht mehr ohne einen ihrer fulminanten Auftritte aus, 2006 wird die Band vom Spin Magazine zur besten Liveband der Welt gekürt. Nicht zu Unrecht, muss man in aller Deutlichkeit sagen.

Sänger Howlin’ Pete ist auf wie neben der Bühne ein arroganter Sack, den man trotzdem nur gernhaben kann, Interviews sind endlich mal wieder lesenswert und auch in Sachen Videoclips wissen The Hives sehr genau, was sie tun. Für den Klassiker Walk Idiot Walk gibt es sogar einen MTV Video Music Award. Wichtig ist nur, dass es Spaß macht. Und um Gottes Willen nicht zu ernst genommen wird, denn, wie Nicholaus Arson mal auf den Punkt brachte: „Rock’n’Roll ist außer Kontrolle geraten, als die Bands anfingen, sich selbst zu ernst zu nehmen.“

Der Guardian erteilt Tyrannosaurus Hives damals eine gute Zensur, nimmt den Minimalismus der Band aber zum Anlass, ihr nach diesem Album die sofortige Auflösung zu empfehlen. The Hives reagieren, wie sie nun mal reagieren: mit Hochmut. The Black And White Album zitiert einerseits die Ästhetik der Band, will andererseits suggerieren, dass wir hier die kombinierte Relevanz von Metallica und den Beatles serviert bekommen.

An den magischen Sommer von 2004 können sie damit nicht anknüpfen. Aber das Schöne ist ja: Wir können Tyrannosaurus Hives heute immer noch hören. Und uns dabei ein wenig älter, aber keinesfalls weiser fühlen. Danke, The Hives. Danke, Rock’n’Roll.

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