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Popkultur

30 Jahre „Grace“: Jeff Buckleys erstes und einziges Album in der Rückschau

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Jeff Buckley
Foto: David Tonge/Getty Images

Ein einziges Studioalbum hat uns Jeff Buckley hinterlassen, doch es ist so gut, dass es aus der Musikgeschichte nicht wegzudenken ist. Grace markiert das Debüt und den Schwanengesang des kalifornischen Musikers, der gerade einmal 30 Jahre alt wurde. Eine zweite Platte war geplant. Sie wurde nie umgesetzt.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Grace von Jeff Buckley anhören:

Rund eine Stunde dauert das Vermächtnis von Jeff Buckley. Grace beginnt rockig, lässt tief in die facettenreichen Emotionen des Musikers blicken, enthält mindestens eine Coverversion für die Ewigkeit und sogar ein Harmonium ist auf dem Album zu hören. Doch was ist es, das die Platte so besonders macht? Warum benötigte Buckley nur einen einzigen Wurf, um sich für immer einen Platz in den Musikgeschichtsbüchern zu sichern? Es liegt daran, dass niemand sonst Grace hätte aufnehmen können. Um das genauer zu verstehen, widmen wir uns kurz der Biografie des Musikers, der nur einen Versuch hatte — und ihn genutzt hat, um eines der großartigsten Alben der Neunziger zu veröffentlichen.

Wenn man ohne Vater aufwächst, muss das dicke Wunden und Narben hinterlassen. Auch Jeff Buckley ergeht es so. Seinen Erzeuger, den Folk-Sänger Tim Buckley, trifft er bloß einmal, als er acht Jahre alt ist. Ein Jahr später stirbt Tim Buckley im Alter von 28 Jahren an einer Heroinüberdosis. Jeff entwickelt eine Hassliebe. Er liebt die Musik, genau wie sein Vater. Doch er hasst, dass sein Vater nie für ihn da war und dass er sogar noch nach seinem Tod große Schatten auf sein Leben wirft. Jeff nennt sich lange Scott Moorhead, weil er nicht wie sein leiblicher Vater heißen möchte. Er ist wütend und traurig, resigniert und doch fasziniert. All diese Emotionen lässt er in sein erstes Album einfließen.

Grace von Jeff Buckley: ein Meilenstein der Neunziger

Mit der Aufnahme von Grace beginnt Jeff Buckley Ende 1993. Er mietet sich ins Bearsville Sound Studio in Woodstock, New York ein, gemeinsam mit einer Band, die er gerade erst zusammengestellt hat. (Zu den Musikern zählt auch Gary Lucas, der zuvor mit Captain Beefheart gespielt hatte.) Dann geht’s los. Von rockigeren Stücken wie Mojo Pin über das James-Shelton-Cover Lilac Wine bis hin zu Lover, Should’ve Come Over, bei dem ein Harmonium zum Einsatz kommt: Ausnahmesänger und -gitarrist Buckley nimmt ein Meisterwerk auf, ein Album, das auch Jahrzehnte später noch so tief durchdringt, dass es für minutenlange Gänsehaut sorgt. Sowas hat die Musikwelt noch nicht gehört.

Das wohl größte Highlight auf Grace ist Buckleys Cover von Hallelujah, einem Song, der im Original von Leonard Cohen stammt. Doch es ist nicht Cohens Version, die der junge Musiker zum ersten Mal hört. Nein, 1992 covert auch John Cale die Nummer und Buckley ist begeistert davon. Am Ende ist egal, von wem Hallelujah stammt: Buckley macht das Stück so sehr zu seinem eigenen, dass es sein meistgehörtes Lied wird. Das Stück Forget Her hingegen fällt kurzfristig der Schere zum Opfer, denn Buckley möchte den Song aus Respekt vor seiner Ex-Freundin nicht veröffentlichen. Stattdessen nimmt er So Real auf; Forget Her erscheint erst viele Jahre später zum 10. Jubiläum von Grace.

Als Grace am 23. August 1994 rauskommt, fallen die Reaktionen der Presse noch verhalten aus. Auch die Verkaufszahlen bleiben zunächst hinter den Erwartungen zurück. Unter Kenner*innen besteht allerdings kein Zweifel am Können des Künstlers. So verkündet Led-Zeppelin-Legende Jimmy Page in einem Interview, dass er großer Jeff-Buckley-Fan sei. Auch Hollywood-Star Brad Pitt lobt Buckley in höchsten Tönen. Außerdem hat das Label des Newcomers Blut geleckt und möchte ein zweites Album nachlegen. Im Frühjahr 1997 nimmt Buckley die Arbeit daran auf, so zumindest der Plan. Doch als er am 29. Mai im Wolf River bei Memphis schwimmen geht, kommt alles anders.

Jeff Buckleys viel zu früher Tod

Mehrere Tage lang bleibt Jeff Buckley wie vom Erdboden verschluckt. Erst als er am 4. Juni 1997 ans Flussufer des Wolf River gespült wird, herrscht traurige Gewissheit: Der Musiker ist tot. Bei einer späteren Untersuchung findet man in seinem Körper weder Spuren von Drogen noch von Alkohol. „Der Tod von Jeff Buckley ist nicht geheimnisvoll oder hat mit Alkohol, Drogen oder Suizid zu tun“, schreibt seine Familie später in einem Statement. „Es gibt einen Polizeibericht, einen Obduktionsbericht und einen Augenzeugen, die belegen, dass er ertrunken ist. Vor diesem Unfall ging es ihm gut.“ Nicht nur Buckleys Fans sind sich einig: Sein Tod kommt viel zu früh.

Jeff Buckley erkennt wohl bis zum Ende nicht, wie viele Menschen er mit seiner Musik berührt hat. Dass er sich längst aus den Schatten seines Vaters gelöst hat. Und dass er mit seinen Songs etwas Einzigartiges geschaffen hat, über das Musikjournalist*innen noch 30 Jahre später schreiben. Inzwischen sind noch weitere Jeff-Buckley-Alben rausgekommen, teilweise aus alten Studioaufnahmen zusammengebastelt. Auch auf ihnen befinden sich großartige Kompositionen, die das ganze Talent des Musikers unter Beweis stellen. Doch sein wichtigstes, strahlendstes und eigentlich einziges Werk wird stets Grace bleiben — das eine Album, das er persönlich fertigstellen konnte.

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Zeitsprung: Am 4.6.1997 treibt der Leichnam von Jeff Buckley im Mississippi.

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