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Popkultur

45 Jahre „Highway To Hell“: Wie AC/DC der Durchbruch in den USA gelang

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AC/DC
Foto: Atlantic Records/Michael Ochs Archives/Getty Images

Highway To Hell von AC/DC ist ein Meilenstein, nicht nur für die Rockwelt, sondern auch für die Band selbst. In unserer Rückschau lest ihr, warum AC/DC mit der Platte der US-Durchbruch gelang, was Gene Simmons mit der Geschichte des Albums zu tun hat und warum auf den Höhenflug der Gruppe der tiefe Fall folgte.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Highway To Hell von AC/DC anhören:

Vier erfolgreiche Alben: Das ist die Bilanz, die AC/DC im Sommer 1977 ziehen können. Mit High Voltage (1975) und T.N.T. (1975) hatten sie sich zuhause in Australien einen Namen erspielt; mit High Voltage (1976), einer Kombination der beiden australischen Platten für den europäischen Markt, waren AC/DC auch in der alten Welt angekommen. Dirty Deeds Done Dirt Cheap (1976) und Let There Be Rock (1977) hatten ebenfalls hervorragend funktioniert, allerdings erneut nur in Europa und Australien. Die USA? Dort ist man damals noch nicht bereit für AC/DC, denn in den Staaten dominieren Softrocker wie Peter Frampton und Boston sowie die Disco-Szene das Geschehen. An Proleten, die über Sex und Alkohol singen, besteht (mutmaßlich) kein Bedarf. Dirty Deeds hatte das US-Label von Angus Young und Co. sogar abgelehnt, weil man in Amerika keine Chance für die Platte sah. Doch im Sommer 1977 ändert sich für AC/DC einiges. Sie glauben an sich und erspielen sich ihr Publikum in den USA auf die altmodische Art: live. Was Kiss und James Hetfield damit zu schaffen haben? Das lest ihr jetzt.

Wie Gene Simmons AC/DC entdeckte

Zu den größten Befürwortern von AC/DC gehört 1977 ein Mann mit langer Zunge. Gene Simmons hatte die Band einige Monate zuvor in einem Club spielen sehen und AC/DC hatten ihn regelrecht umgepustet. „Damals gab es eine Menge Bands, die guten Rock’n’Roll spielten“, erinnert sich der Kiss-Bassist Jahre später in einem Interview. „Aber mir fiel dieser kleine Leadgitarrist auf, der über die Bühne hüpfte wie ein wilder Mann aus Borneo.“ Simmons lädt den „kleinen Gitarristen“ Angus Young zum Essen ein. Der wiederum schiebt sich bei dem Dinner ein Hotdog-Würstchen quer in den Mund. „Weil ihm die Zähne fehlten“, erinnert sich Simmons. Der Kiss-Bassist fragt AC/DC, ob sie Kiss bei einigen US-Tourterminen unterstützen möchten. Die Antwort ist klar: Aber sicher doch! Nur wenig später reisen AC/DC mit Kiss durch die Staaten und können sich einem riesigen Publikum vorstellen. Sie geben alles, was dafür sorgt, dass sie 1978 im Vorprogramm von Aerosmith auftreten. Inzwischen haben AC/DC ihr fünftes Album Powerage (1978) im Gepäck — und lassen viele offene Münder zurück.

„Ich war großer Aerosmith-Fan“, erzählt Metallica-Frontmann James Hetfield, der damals 15 ist und Aerosmith und AC/DC in Los Angeles live sieht. „Aber ich hatte keine Ahnung, dass AC/DC so cool sind. Ich ging mit meinem älteren Bruder zu der Show. Er zeigte auf Angus und sagte: ‚Der kleine Typ, der da rumrennt, ist nervig.‘ Aber ich wollte dieser Typ sein!“ Drei Jahre später gründen James Hetfield und Lars Ulrich Metallica. Auch Eddie Van Halen zeigt sich beeindruckt von den australischen Hardrockern. Nicht nur das: 1978 sollen Van Halen beim Day On The Green-Festival nach AC/DC spielen und der legendäre Gitarrist bekommt es mit der nackten Angst zu tun. „Ich stand am Bühnenrand und dachte: ‚Wir müssen nach diesen Motherf****ern ran??‘“ Ja, AC/DC lassen damals nichts anbrennen und erobern die USA schneller als ihr Label schauen kann. Als die Plattenfirma 1979 merkt, dass die Staaten nun bereit für die Band sind, fliegt Vizepräsident Michael Klenfner nach Sydney, um sich das neue Material der Gruppe anzuhören. Was er hört, erfreut ihn allerdings ganz und gar nicht.

Highway To Hell mit Umwegen: Aus- und Einwechslungen sorgen für Unmut

Klenfner hat klare Vorstellungen: Er möchte Songs, die im Radio laufen können. Doch was AC/DC und deren Produzenten George Young und Harry Vanda ihm vorspielen, ist in seinen Ohren alles andere als radiotauglich. Bei George Young handelt es sich um den großen Bruder von Angus sowie Malcolm Young, und er und Harry Vanda haben 1979 bereits einige Erfolge vorzuweisen. So waren die beiden Musiker Mitglieder der Band The Easybeats gewesen, die 1966 den Mega-Hit Friday On My Mind gelandet hatte. Außerdem stecken die beiden als Songschreiber und Produzenten hinter John Paul Youngs Hit Love Is In The Air. Doch das reicht Klenfner nicht. Er ist sich sicher: Damit AC/DC international durchstarten können, braucht es frischen Wind am Mischpult. Das hören AC/DC nicht gern, vor allem Angus und Malcolm nicht. Sie sollen ihren Bruder rausschmeißen? Niemals. Doch sie lenken schließlich ein und bekommen Eddie Kramer vor die Nase gesetzt, der 1979 bereits mit Jimi Hendrix, Kiss und Twisted Sister zusammengearbeitet hat. Die Zwangskooperation mündet in einer Katastrophe.

Schon nach wenigen Tagen ist klar: Kramer und AC/DC passen nicht zusammen. War es das nun mit dem US-Durchbruch der Gruppe? Nein, AC/DC-Manager Michael Browning hat noch ein Ass im Ärmel. Er teilt sich seine Wohnung zu jener Zeit mit einem Herrn namens Robert „Mutt“ Lange, einem Musikproduzenten, der zum Beispiel das Debüt der Boomtown Rats aufgenommen hat. Sein Vorteil: Er weiß, wie eine Pop-Produktion zu klingen hat, versteht aber auch den Rock-Sound von AC/DC. Das Label gibt grünes Licht für das Experiment, wenig später geht es los. „Wenn wir gewusst hätten, dass er mit den Boomtown Rats gearbeitet hat, hätten wir niemals zugestimmt“, erklärt Malcolm Young später in einem Interview. Zum Glück kommt es anders, denn gleich am ersten Tag merkt die Band, dass Lange genau weiß, was er tut. Er verlangt AC/DC alles ab, akzeptiert keine halbfertigen Songs, hebt den Gesang von Bon Scott auf ein neues Level und dreht an den kleinsten Stellschrauben bis alles perfekt ist. AC/DC mögen das, denn sie sind Arbeitstiere — und schreiben für ihr sechstes Album Highway To Hell einige ihrer größten Hits.

Highway To Hell: Der unsterbliche Titeltrack des sechsten AC/DC-Albums

Da wäre zum einen der Titeltrack, ein typischer AC/DC-Rocksong, den man nach wenigen Sekunden erkennt. „Einfach lauter Rock’n’Roll, wham, bam, thank you, ma’am!“: So beschreibt Malcolm das Stück später. Doch mit Lange an den Schiebereglern wird aus der Nummer ein Rockklassiker, der auch 45 Jahre später nichts von seiner Bedeutung eingebüßt hat. (Wer jetzt „Echt?“ denkt, gehört sofort aufs Sofa: Nachsitzen und School Of Rock schauen!) Was den Text des Songs betrifft, kursieren unterschiedliche Geschichten. So erklärt Angus Young seinerzeit in Interviews, es gehe bei dem Stück um das Touren. „Wir beschreiben darin, wie es ist, wenn man jahrelang unterwegs ist, so wie wir es waren“, erklärt er. „Wir sind meist mit dem Bus oder dem Auto gefahren und hatten keine richtigen Pausen. Eines morgens sind wir gegen vier Uhr aus dem Bus gekrochen und ein Journalist hat uns gefragt, wie wir eine AC/DC-Tour beschreiben würden. Nun, das ist der Highway To Hell. Das war es wirklich. Wenn man beim Schlafen die Socken des Sängers vor der Nase hat, dann kommt das der Hölle ziemlich nah.“

Der "Highway To Hell" in Australien

Foto: Google Maps

Glaubt man einer anderen Geschichte, so geht es in dem Song um den Canning Highway in Australien. Die Straße liegt in Perth und führt unter anderem am Raffles Hotel vorbei, einer von Bon Scotts damaligen bevorzugten Bleiben. Gleich in der Nähe der Unterkunft befinden sich diverse Nachtclubs sowie eine berühmte Unfallstelle, die damals als besonders gefährlich gilt. Daher der Name: Highway To Hell. Am 1. März 2020 wird der Straße übrigens eine besondere Ehre zuteil, also kurz nach Bon Scotts 40. Todestag: Zehn LKW rollen an jenem Tag den Canning Highway entlang— beladen mit acht AC/DC-Coverbands, die den Autobahnstreifen kurzzeitig in die „längste Festivalbühne der Welt“ verwandeln. Zwei Fahrspuren bleiben frei, damit das Publikum genug Platz hat, um zu picknicken und sich die Parade anzuschauen. Welche der beiden Geschichten auch wahr sein mag: Mit Highway To Hell landen AC/DC 1979 zum ersten Mal in den US-Singlecharts und knacken die Top 5 in Großbritannien. Doch der Song ist längst nicht alles, was AC/DC auf ihrem sechsten Album zu bieten haben.

Ein Serienmörder, satanistische Botschaften und saugute Verkaufszahlen

Weitere Erfolge landen AC/DC mit der zweiten Single Girls Got Rhythm sowie mit der dritten Touch Too Much. Unfreiwilligen Ruhm erlangt Jahre später die Nummer Night Prowler, die im Juni 1985 mit dem Serienmörder Richard Ramírez in Verbindung gebracht wird. Der ist nämlich nicht nur großer AC/DC-Fan und lässt sogar eine Kappe mit dem Logo der Gruppe an einem Tatort liegen, sondern hat auch eine besondere Vorliebe für das Stück Night Prowler. Ramírez’ Spitzname lautet daher „Night Stalker“. Für AC/DC bedeutet all das Mitte der Achtziger reichlich schlechte Presse, obwohl sie natürlich nichts dafür können, dass ein Serienkiller ausgerechnet ihre Musik mag. Am Morgen des 31. August 1985 wird Ramírez festgenommen und der Spuk seiner schrecklichen Taten hat ein Ende. AC/DC erholen sich schnell von den öffentlichen Anfeindungen. Doch zurück ins Jahr 1979. Denn auch in diesem Jahr entsteht eine Kontroverse um Highway To Hell — allerdings nicht wegen eines Serienkillers, sondern wegen des Covers der Platte.

Ein Angus Young mit Teufelshörnern und Teufelsschwanz? Der Albumtitel Highway To Hell? Angedeutete Flammen im Hintergrund? Das sieht man in den frommen USA nicht gerne. „In Amerika gab es Typen in Bettlaken“, erinnert sich Angus Young lachend, „die hatten Plakate dabei, auf denen Gebete standen. Ich fragte sie: ‚Für wen sind die?‘ Die Antwort war: ‚Für euch!‘ Wir haben damals so viel Zeug über Highway To Hell gehört. Dass darauf satanische Botschaften zu finden sind, wenn man die Platte rückwärts abspielt. Verdammt, warum sollte man sie rückwärts abspielen? Highway To Hell steht doch vorne drauf!“ Den Verkaufszahlen tut die Kontroverse keinen Abbruch. Mit Highway To Hell landen AC/DC zum ersten Mal in den Top 20 der US-Albumcharts. Außerdem handelt es sich um das erste AC/DC-Album, das millionenfach über die Ladentheke geht. Sie haben geschafft und die USA erobert. Auch die Plattenfirma der Band ist zufrieden und feiert den Erfolg. Doch für AC/DC dauert die Freude nicht lange an. Nur wenige Monate nach der Veröffentlichung stirbt ihr Frontmann Bon Scott.

Der tiefe Fall — und ein Neuanfang

Nach Scotts Tod sind AC/DC am Boden. Sie haben nicht nur ihren Frontmann verloren, sondern auch einen guten Freund. Können sie ihre Karriere nun einfach fortsetzen? Fraglich. Doch sie entscheiden sich dafür, Bon Scotts Erbe am Leben zu erhalten und AC/DC nicht mit ihm zu beerdigen. Er hätte es so gewollt und auch Scotts Vater sagt zu den ehemaligen Bandkollegen seines Sohnes: Macht weiter. Angus und Malcolm Young verarbeiten ihre Trauer in einigen neuen Songs. Ihre Motivation hält sich in Grenzen. Gerade schien es, als seien sie angekommen. Als hätten sie den Rockolymp endgültig bestiegen — nur, um ihn gleich wieder hinunterzustürzen und von vorne anzufangen. Aber wir alle wissen, wie die Geschichte weitergeht. AC/DC holen Brian Johnson an Bord, den ehemaligen Frontmann der britischen Rockband Geordie. Der hatte mit seiner Gesangskarriere eigentlich schon abgeschlossen, lässt sich aber dazu überreden, aus der Musikerrente zurückzukehren. Ziemlich genau ein Jahr nach der Veröffentlichung von Highway To Hell melden sich AC/DC mit Back In Black zurück — und wie.

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