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Popkultur

Aus der Zeche auf die Bühne: „Agent Orange“ von Sodom wird 35!

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Tom Angelripper von Sodom
Foto: Mumpi Künster

Agent Orange von Sodom ist einer der schwergewichtigsten deutschen Thrash-Metal-Meilensteine. In unserer Rückschau lest ihr, worum es auf dem Album geht, warum die Produktion der Platte nicht nur einfach war und wie Sodom-Sänger Tom Angelripper auf der anschließenden Tour fast verloren gegangen wäre.

von Timon Menge

Hier könnt ihr euch Agent Orange von Sodom anhören:

Nach ihrem zweiten Album Persecution Mania (1987) sind Sodom in der Semiprofessionalität angekommen. Man kennt sie, zumindest in der Metalszene, und sie spielen oft vor ausverkauften Häusern. Doch das Einkommen der Gruppe reicht noch nicht, um den Lebensunterhalt der Musiker finanzieren zu können. Sänger Tom Angelripper verdient seine Brötchen, wie es im Ruhrgebiet damals schon nicht mehr so üblich ist, unter Tage in der Zeche Hugo. „Du hattest nicht immer die tollste Arbeit“, erinnert er sich in einem Interview, „aber das ist immer alles gut gelaufen.“ Noch besser läuft es bald für Sodom — denn 1989 nehmen die Gelsenkirchener Thrash-Metaller die Arbeit an ihrer dritten Platte auf, mit der ihnen der große Durchbruch gelingen soll.

Agent Orange von Sodom: Ein Metal-Meilenstein mit Folgen

Dass es auf dem dritten Sodom-Album mehrheitlich um den Vietnamkrieg geht, verrät schon der Titel der Platte. Bei Agent Orange handelt es sich um ein Herbizid, das die US-Streitkräfte Mitte der Sechziger nutzen, um dem Vietcong die Tarnung im Dschungel zu erschweren und die Lebensmittelversorgung zu unterbrechen. Durch Verunreinigungen des Mittels sterben dabei auch zehntausende US-Soldaten. Das ist noch nicht alles: Als wären chemische Kampfmittel und der Vietnamkrieg noch keine ausreichend schrecklichen Themen, beschäftigen sich Sodom auf ihrer dritten Platte auch noch mit menschlichem Inzest und den Gräueln des Stierkampfes. Harter Tobak, also. Für die entsprechende musikalische Härte sorgt ein alter Bekannter der Band.

Für Agent Orange arbeiten Sodom bereits zum zweiten Mal mit Produzent Harris Johns zusammen, der auch schon bei der Produktion von Persecution Mania an den Schiebereglern gesessen hatte. In Metalkreisen ist er eine Koryphäe, hat zum Beispiel Alben mit Sodom, Kreator, Voivod, Grave Digger, Tankard, Celtic Frost und Helloween aufgenommen. Doch als Sodom im März 1989 in seinem Music Lab Studio in Berlin aufschlagen, hat Johns gleich zwei Jobs an der Backe. Zum einen soll er mit den Gelsenkirchenern ihre dritte Platte umsetzen. Zum anderen muss er die Band zusammenhalten, denn Gitarrist Frank Blackfire und Schlagzeuger Chris Witchhunter streiten sich teilweise so sehr, dass sie kein Wort mehr miteinander reden.

Agent Orange läutet eine neue Ära ein

Mit Ach und Krach bekommen Sodom ihr drittes Album Agent Orange fertig, was wir Metalheads sicher zu einem Großteil der ausgleichenden Art von Harris Johns zu verdanken haben. Aber nach der Produktion ist Feierabend. Gitarrist Blackfire hat die Schnauze voll, nimmt seinen Hut und steigt bei den Essener Thrash-Metallern Kreator ein, die eine US-Tour vor der Brust haben und Unterstützung brauchen. Sodom hingegen holen Michael Hoffmann an Bord, dessen Band Assassin sich 1989 gerade aufgelöst hat. Mit ihm und den damals noch unbekannten Sepultura im Schlepptau reisen Sodom durch Europa und stellen ihr neues Album Agent Orange vor. Dabei ereignet sich unter anderem eine Geschichte, die Sodom-Sänger Tom Angelripper damals wohl nicht so lustig findet.

Es ist vermutlich die Nacht vom 15. September 1989 auf den 16. September 1989. Sodom kommen gerade aus Wien und sind auf dem Weg nach Erlangen. An der deutsch-österreichischen Grenze legen die Thrash-Metaller eine kurze Pause ein. Frontmann Tom Angelripper nutzt sie, um aufs Klo zu gehen. So weit, so gut. Das Problem ist nur: Als er zurückkommt, ist der Tourtross bereits weitergefahren. Man hat ihn einfach vergessen. Danach beginnt für ihn eine Odyssee: Per Anhalter und Taxi versucht er, seine Kollegen einzuholen. Irgendwann kommt er beim E-Werk in Erlangen an und hört seine Band schon spielen. Risk-Gitarrist Roman Keymer ist am Bass eingesprungen. Angelripper übernimmt sofort — gekleidet in Boxershorts und Badeschlappen.

Agent Orange: Der Durchbruch für Sodom

Das dritte Sodom-Album funktioniert, nicht nur auf Tour, sondern auch im Handel. Ganze 100.000 Einheiten gehen damals über die Ladentheke, eine immense Summe für eine extreme Metalband aus Deutschland. Außerdem landen die Gelsenkirchener auf Platz 36 der Albumcharts und feiern damit ihren erste Platzierung in der Hitparade. Alles wird ein bisschen größer, vor allem die Schecks. Das ist auch der Grund dafür, dass sich für Tom Angelripper gleich noch etwas ändert. Nach zehn Jahren kündigt er seinen Job auf der Zeche Hugo. Er setzt nun alles auf die Karte Musik. Wer hätte das Mitte der Achtziger gedacht? Angelripper selbst wohl nicht. Agent Orange hat ihm und Sodom die Tür in ein neues Leben geöffnet. Und seit 2018 ist auch Frank Blackfire wieder an Bord.

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