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Popkultur

„Butterfly“: Die Geschichte hinter dem einzigen Hit von Crazy Town

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Crazy Town
Foto: M. Caulfield/WireImage/Getty Images

Kurz nach der Jahrtausendwende kommt niemand an diesem Song vorbei: Mit Butterfly landen die Rap-Rocker Crazy Town einen gewaltigen Hit. Es wird ihr einziger bleiben – und führt unweigerlich zum Ende der Band. Das ist die Geschichte hinter Butterfly.

von Björn Springorum

Rap und Rock sind zum Ende des alten Jahrtausends keine Feinde mehr. Im Gegenteil. Die Red Hot Chili Peppers, Limp Bizkit, Body Count oder Faith No More haben für eine Annäherung beider Genres gesorgt, die im neuen Jahrtausend mit Linkin Park eine der größten Rock-Bands aller Zeiten hervorbringen wird. In Los Angeles geht in dieser Zeit besonders viel. Kein Wunder: Zwischen dem Hard Rock des Sunset Strip und dem harten Straßenrap von South Central liegen nur ein paar Meilen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Genres miteinander in der Kiste landen.

So wie Public Enemy und Anthrax

Mittendrin sind damals schon Bret Mazur und Seth Binzer. 1992 lernen sich die beiden L.A.-Eigengewächse kennen, Mazur damals Anfang 20, Binzer kaum 18. Sie nennen sich Epic und Shifty Shellshock, sind ab 1995 unter dem Namen The Brimstone Sluggers aktiv. Musik ist ihnen praktisch in die Wiege gelegt: Mazurs Vater war der Manager von Billy Joel, während Binzers Vater ein Künstler und Filmemacher war, der beim Stones-Konzertfilm Ladies & Gentlemen, The Rolling Stones Regie führte. Statt Piano Man und Gimme Shelter sind die beiden ganz dem Rap ergeben, lieben N.W.A., Cypress Hill und Ice-T, aber auch melancholische Musik von Bands wie The Cure.

Jahrelang werkeln die beiden vor sich hin, bis Binzer auf Licensed To Ill von den Beastie Boys stößt. Und den Sound des Projekts radikal ändern will. Davor geht es für die beiden aber erst mal in diverse Entzugskliniken, Einrichtungen, in denen vor allem Binzer sehr bald Dauergast sein wird. Der hat viel Zeit zum Nachdenken und will danach eine sechsköpfige Rock-Band mit Rapper gründen – durchaus ein Vorläufer für Nu Metal, der sich damals gerade zaghaft rührt. Crazy Town soll in dieselbe Kerbe schlagen wie die Kollaboration von Public Enemy und Anthrax. Doch ihr größter Erfolg wird ausgerechnet ein klassischer Rap-Song.

Neandertalische Texte

Das dauert aber noch: 1999 nehmen sie im Westlake Studio in Los Angeles ihr erstes Album auf. The Gift Of Game kommt dann im November 1999 auch ganz okay an, bewegt sich aber nicht wirklich vom Fleck. Kritiker*innen bemerken Ähnlichkeiten zu Limp Bizkits pubertärem Humor, während April Long vom NME unvergessen urteilt: „Crazy Town bieten einige der neandertalerischsten Texte, die je geschrieben wurden: Shit is harder than hard/About as hard can get. Hallo Devolution! Es ist eine Schande, dass das fast zärtliche Butterfly ein Ablenkungsmanöver ist. Andernorts wird Crazy Town ausschließlich von  Hardcore Sex Bitches und Hoes bevölkert – und bei charmanten Anmachsprüchen wie Don’t waste my time/Unless you’re down to fuck ist es kein Wunder, dass Shellshock trotz der Lobeshymnen auf seine eigenen genitalen Dimensionen immer noch ‚an einem einsamen Herzleiden‘ leidet. Viel Glück, Kumpel.“

Butterfly ändert alles

So sehen es anfangs auch die Käufer*innen: The Gift Of Game dümpelt in den hinteren Chart-Rängen vor sich hin, der Rap Rock wirkt für viele halblebig und generisch. Publicity bekommt die Band nur durch ihr erratisches und toxisches Verhalten. Als Binzer mal wieder besoffen ist, schmeißt er einen Stuhl durch ein Fenster, wird festgenommen und daraufhin kurzerhand vom Ozzfest geschmissen. Kein angenehmer Typ, um es mal milde auszudrücken. Und im Grunde könnte diese Geschichte damit schon zu Ende sein. Doch dann veröffentlichen Crazy Town im Frühjahr 2001 eine dritte Single aus ihrem Debüt – das untypische Butterfly.

Und plötzlich explodiert alles. Der Song schafft in den USA gleich zweimal den Sprung an die Spitze der US-Charts, auch in Deutschland und zahlreichen Ländern thront Butterfly an der Spitze. Der Erfolg der Single allein schiebt das Debütalbum über die Platingrenze und bringt Crazy Town 2001 direkt aufs Ozzfest zurück. Das Problem ist eben nur: Ihr größter Hit ist ein Rap-Song, der sich auf ein geliehenes Riff der Red Hot Chili Peppers stützt. Plötzlich kennt die ganze Welt diesen Song, will mehr von der Band hören – und reagiert irritiert, enttäuscht, weil der Rest des Albums eben in eine ganz andere Kerbe schlägt. Zugleich lehnt das Metal-Publikum sie ab, belächelt sie beim Ozzfest als Butterfly Boys. Das Schlechteste beider Welten.

„Wir werden nicht nur für einen einzigen Song bekannt sein“

Deswegen wollen Crazy Town selbst den Song auch erst viel später als Single veröffentlichen. Sie ahnen wohl damals schon, was passieren würde. „Wir wussten die ganze Zeit, dass wir Butterfly nicht als erstes veröffentlichen wollten, eben weil wir nicht als die Band bekannt sein wollten, die man auf Butterfly reduziert“, so sagte Gitarrist Kraig „Squirrel“ Tyler mal. „Wir wollen eine Karriere haben.“ Daraus wird aber eben nichts: Der Song mit seinem fast schon kitschig-romantischen Text, den lässigen Beats und verträumten Melodien bleibt ihr einziger Hit, zwei Jahre später gibt es die Band bereits nicht mehr.

Mit Darkhorse erscheint davor noch eine Platte. Gerade mal 13.000 Einheiten werden davon in den USA verkauft. Die Band ist am Ende, bevor sie richtig angefangen hat. Dabei sagte Gitarrist Tyler vor dem Release des zweiten Albums noch: „Wenn diese Platte funktioniert, werden die Leute erkennen, dass es sich um eine richtige Band handelt.“ Binzer fügte damals trotzig und voller Hybris hinzu: „Wir werden nicht nur für einen einzigen Song bekannt sein.“ Sind sie am Ende aber eben doch. Und seit dem 24. Juni 2024 auch als eine weitere Band, die ihren Frontmann an die Drogen verloren hat – das tragischerweise vorhersehbare Ende einer sehr kurzen und sehr seltsamen Erfolgsgeschichte.

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