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Popkultur

Empire Of The Sun im Interview: „Man kann hören, wie Maschinen sprechen“

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Empire Of The Sun
Foto: William Barrington-Binns

Empire of the Sun sind zurück. Knapp acht Jahre nach ihrem letzten Album The Vines veröffentlicht die Electropop-Band ihren neuen Longplayer Ask That God. Wir sprachen mit Frontman Luke Steele.

von Markus Brandstetter

„Wir haben es geschafft! Ja, es hat eine Weile gedauert“, meint Luke Steele zu Beginn unseres Gesprächs über das neue Album. Acht Jahre sind eine lange Zeit – an mangelndem kreativen Output lag die Wartezeit aber mitnichten. Wären die Dinge etwas anders gekommen, hätten wir bereits vor einigen Jahren Empire-of-the-Sun-Album Nummer vier in den Händen gehalten – eines mit japanischen Modular-Synths, dafür mit weniger Songstrukturen. Klingt interessant, wurde von der Band nach anfänglicher Begeisterung aber völlig über den Haufen geworfen. Warum es anders kam, warum die Existenz der Band auf dem Spiel stand und was Gott mit der Sache zu tun hat, erklärt uns Luke im Gespräch.


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Luke, erzähl mal, warum das mit dem neuen Album so lange gedauert hat und wie das Album entstanden ist. Mit welcher Einstellung seid ihr an die Aufnahmen herangegangen?

Nach unserem letzten Album waren wir eigentlich wirklich inspiriert und sind nach Tokio gereist, zweimal sogar, und haben dort mit modularen Synthesizern gearbeitet. Wir hatten vor, ein ruhiges, ganz elektronisches Album zu machen, das Techno Tokyo heißen sollte. Aber irgendwann verlor das Ganze seinen Reiz. Dann sind wir zurück nach Los Angeles gegangen und haben ein Jahr lang mit Jackknife Lee in Malibu gearbeitet, was auch nicht wirklich funktionierte. Kurz vor der Pandemie waren wir einfach erschöpft, die Band fühlte sich zerrissen an. Also beschlossen wir, eine Pause einzulegen, ich dachte sogar, die Band sei am Ende. Wir sagten der Plattenfirma, dass wir keine weiteren Alben machen würden. Während der Pandemie ging ich meinen Solo-Projekten nach und Nick machte auch seine eigenen Aufnahmen.

Wann ging die Zusammenarbeit zwischen euch weiter?

Ab etwa 2022 begannen wir wieder kleine Nachrichten auszutauschen, und es fühlte sich an, als ob Gott uns in unseren Herzen sagte, dass wir wieder zusammenfinden sollten. Wir erkannten wieder, was wir an Empire of the Sun von Anfang an geliebt hatten und was uns in unserer Zusammenarbeit fehlte. Also begannen wir zu reden, und dann gingen wir in die Village Recorders in LA und fingen wieder an zu arbeiten und hörten nicht mehr auf. Wir brachten Tracks mit, die vor der Pandemie fertig waren, und schrieben eine Menge neuer Songs. Es fügte sich zu einem neuen Kapitel für uns zusammen.

Du hast gerade gesagt, dass die Tokio-Sessions ihren Reiz verloren haben. Wie weit wart ihr in diesen Aufnahmen und wie waren sie?

Wir haben schon immer viel Material generiert, damals hatten wir etwa 20-25 Tracks. Wir waren schon immer fasziniert von Spielzeugen, die Geräusche machen, und Japan ist unglaublich in dieser Hinsicht. Dort findet man diese Synthesizer und Spielzeuge. Wir haben uns mit einigen modularen Synthesizer-Leuten in Tokio angefreundet, und eines Tages gingen wir zu einem Modular-Festival, wo etwa 20 Leute ihre Synthesizer aufgestellt hatten. Wir trafen einige von ihnen und bewegten uns mehr in den elektronischen Bereich und weniger in Richtung Song-basiert. Aber als wir das Ganze zurückbrachten, wurde klar, dass Empire of the Sun eine Plattform für Songs ist, dass das unsere Aufgabe ist–  und die Leute wollen Lieder singen. Vielleicht werden diese Sessions eines Tages wieder auftauchen. Aus diesen Sessions entstanden Rhapsodize und Friends I Know, und man kann in Rhapsodize wahrscheinlich hören, wie Maschinen sprechen und Wörter lernen, wie Reben, Tiere, die Gott gemacht hat, und so weiter.

Interessant, dass du die Songform als euren Auftrag siehst. Wie geht ihr mit Erwartungen um?

Weißt du, ich liebe diese Band, weil nichts tabu ist. Ob es nun mit dem SP 1200 beginnt oder mit Nick, der im Studio unglaublich ist, der fleißigste Künstler, den ich je getroffen habe: Wir gehen mit allen möglichen Werkzeugen vor, um diesen seltenen Diamanten, den Song, zu finden, egal ob er am Ende ein drei Minuten langes Lied ist oder nicht. Wir arbeiten mit allem, was möglich ist, egal ob Gitarreneffekte, Synthesizer oder Aufnahmen auf halber Geschwindigkeit.

Gab’s einen besonderen Synth oder ein spezielles Stück Equipment, das euch bei diesen Aufnahmen besonders inspiriert hat?

Es ist immer ein bisschen von allem. Wir haben viele klassische Synthesizer aus den 70ern wie den CS-80 eingesetzt. Ich habe einige Dinge, die ich immer benutze, wie den Roland VP-330. Wir nutzen viele Effekte, besonders von Eventide. Unsere Arbeit ist ein Mix aus analog und digital, aber je analoger, desto besser. Wir sind ein bisschen altmodisch und lieben es, an Knöpfen zu drehen und auf Dinge zu treten.

Lass uns über den Song Changes sprechen. Du hast gesagt, er sei wie eine Wiedergeburt für die Gruppe. Kannst du darüber sprechen?

Dieser Song entstand ungefähr in der Mitte der Aufnahmen. Wir haben ihn mit einigen schwedischen Autoren geschrieben. Er fühlte sich wie der perfekte Song an, um das, was mit Empire of the Sun passiert, auf diesem Album zusammenzufassen. Während der Pandemie war alles geschlossen, es war vorbei. Als wir zurückkamen, fühlte es sich wie eine Wiedergeburt an. Wir haben es durch die Schwierigkeiten der letzten 15 Jahre geschafft und sind jetzt weiser und älter. Es fühlt sich an, als hätten wir unser bestes Werk geschaffen und sind enger verbunden als je zuvor.

Der erste Song, den wir zu hören bekamen, war AEIOU, der auch auf dem aktuellen PNAU-Album zu hören ist.

Dieser Song entstand zusammen mit Nick. Schon immer wollte ich ein Lied mit Vokalen machen. Es geht um die Zerbrechlichkeit des Lebens. An dem Tag, als ich die Skizze des Songs erhielt, gab es einen großen Autounfall, und wir mussten einen langen Umweg fahren. Dieser Song erinnert mich an die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Bedeutung, die in einfachen Kinderreimen steckt.

Du hast erwähnt, dass sich die Dynamik der Band verändert hat. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen euch entwickelt?

Früher gab es verschiedene Gastautoren und ich tourte allein, während Nick im Studio blieb. Das schuf unterschiedliche Ebenen und manchmal fühlte ich mich „nur“ als Sänger. Jetzt erkennen wir, dass unsere Verbindung wie eine Ehe ist, und wir müssen die Beziehung pflegen, um Risse zu vermeiden, die zu großen Problemen führen können.

Das klingt nach einer Beach Boys-ähnlichen Situation, mit einer Studioband und einer Tourband.

Ja, am Anfang war das schwierig für mich, da ich aus einer Live-Band-Kultur komme. Es war schwer zu akzeptieren, dass ich allein touren musste. Aber ich habe erkannt, dass dies eine großartige Gelegenheit ist. Wir haben das mittlerweile geklärt und es ist erstaunlich, was man erreichen kann, wenn man einfach ins Studio geht und arbeitet.

Wie sieht der Studio-Prozess aus? Wie arbeitet ihr zusammen?

Es ist ziemlich aufregend. Wir arbeiten schnell, und Nick ist ein Genie im Studio. Er benutzt hauptsächlich den SP-1200 [eine Sample-Drummachine]. Manchmal schicke ich ihm Melodien, und er verwandelt sie in Loops. Wir arbeiten viel mit Klanglandschaften, es ist, als würden wir mit Klängen malen. Der Song wächst aus dem Lärm heraus, wie eine Bohnenranke, und am Ende haben wir ein Lied. Es ist ein sehr kreativer und spiritueller Prozess, und wir gönnen uns dabei auch gutes Essen, was irgendwie dazugehört.

Kannst du etwas über den Albumtitel erzählen?

Nach all den Höhen und Tiefen, dem Erfolg und den Schwierigkeiten, die wir durchgemacht haben, fühlte es sich richtig an, den Titel Ask That God zu wählen. Die Welt hat nicht alle Antworten, aber Gott schon. Es erinnert an die klassische Schriftstelle, seinen Schatz im Himmel zu suchen. In der heutigen Welt scheint es, als ob wir niemanden mehr haben, zu dem wir sprechen können, also wenden wir uns an Gott.

Du hast künstliche Intelligenz erwähnt. Wie siehst du deren Rolle in der Musikproduktion und Kultur?

Es ist unglaublich. Wir lieben es, KI zu nutzen. Es fühlt sich an, als ob KI für Empire of the Sun gemacht ist. Es ist ein weiteres Werkzeug, das Teil unseres Schaffensprozesses wird. Natürlich gibt es auch Bedenken, etwa wenn KI genutzt wird, um Songs zu generieren, die dann auf Spotify landen. Aber es ist eine spannende Zeit, und es kommt darauf an, wie Künstler mit den Maschinen arbeiten.

Denkst du, dass KI den entwertenden Blick auf Musik als reinen Content verstärken könnte?

Ja, das ist beängstigend. Die Grenze zwischen realer und digitaler Welt verschwimmt immer mehr, und die Geduld der Menschen schwindet. Kunst wird zu schnell konsumiert. Viele Bands bringen sped-up Versionen ihrer Songs heraus, weil das Label es verlangt. Die Leute wissen oft nicht, was sie mögen, sie werden einfach mit Inhalten überflutet. Das ist besorgniserregend.

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