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Popkultur

„Goo“ von Sonic Youth: Wie ein Cover zum ewigen Meme wurde

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Sonic Youth Goo Cover

Das letzte Meme mit Wladimir Putin und Kim Jong-un ist nur die Spitze des Eisbergs: Seit Jahren muss das Cover des Sonic-Youth-Klassikers Goo für Internet-Jokes herhalten. Warum eigentlich?

von Björn Springorum

Das Foto ging vor zwei Wochen um die Welt: Wladimir Putin und Kim Jong-un cruisen in einer russischen Limousine durch Pjöngjang, Nordkorea. Das war nicht nur extrem beunruhigend und dystopisch, es ließ das Internet auch mal wieder zu Höchstform auflaufen. Denn so schlimm und apokalyptisch es auch ist, diesen zwei grinsenden Despoten zuzusehen, wie sie eine Art Carpool Karaoke nachstellen – das Netz ist wie immer mit seinen ganz eigenen Bewältigungsmechanismus zur Stelle: mit Humor, Spott und Häme.

Parodiert und geehrt seit 1991

Schon kurz nach dem Erscheinen des Fotos machte ein Meme die Runde, das dieses Foto und darüber den Schriftzug Sonic Youth LP zeigte – der letzte Streich in einer schier nicht enden wollenden Tradition, das Cover des legendären Sonic-Youth-Albums Goo (1990) zu ehren oder zu parodieren. Um diese Parodien zu verstehen (auch die jüngste mit diesen beiden politischen Clowns), muss man die Hintergründe des Covers kennen: Für das Motiv hat der Künstler Raymond Pettibon, ein Freund der Band, eine handgezeichnete Kopie eines berüchtigten Fotos aus dem England der Mitte der sechziger Jahre verwendet: Das Paar Maureen Hindley und David Smith auf ihrem Weg zur Aussage im Prozess gegen Hindleys Schwester Myra und ihren Liebhaber Ian Brady, die des Mordes an mehreren Kindern in den so genannten Moor Murders angeklagt waren.

Frontmann Thurston Moore hat sich in einem neuen Interview jetzt daran erinnert, wie das eigentlich alles losging mit den Goo-Persiflagen – wahrscheinlich mit Spoo, einer schon 1991 erschienenen Single der Indie-Band Prisonshake aus Ohio. Die Band wurde von ihrem Label gebeten, ein bekanntes Albumcover für ihre eigene Single zu verwenden, und wählte das kaum ein Jahr alte Goo. „Uns gefiel die Schlichtheit, das Schwarz-Weiß und die Linie unter dem Titel, die nach rechts endet“, so Robert Griffin von Prisonshake.

Prisonshake Spoo Cover

Prisonshake “Spoo”

„Wie alles in unserem Punkrock-Universum ist nichts heilig“

Doch das war erst der Anfang. Goo wurde schon zur zeitgeistigen Version von Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band oder Abbey Road. In Memes und auf T-Shirts wurden die Protagonist*innen Smith und Hadley durch ein verrücktes Sammelsurium an verschiedenen Paaren ersetzt: Walter White und Jesse Pinkman aus Breaking Bad; Snoop und Dr. Dre; Han Solo und Prinzessin Leia; Bart Simpson und Milhouse Van Houten; Putin und Donald Trump; Brad Pitt und Angelina Jolie; Jeffrey Dahmer und Ted Bundy; sogar die Blues Brothers. Ein Meme mit Taylor Swift und einer Katze erschien 2015, 2018 dann wurde Beyoncé mit einem T-Shirt gesichtet, das Pettibons Illustration und ein Werk von Jay-Z miteinander kombinierte.

 

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„Diese Memes entwickeln ein Eigenleben“, sagt Pettibon gegenüber dem Rolling Stone. „Ich zögere, sie zu analysieren oder ihnen einen Sinn zu geben. Jeder Versuch, dies zu tun, wäre sinnlos, und warum sollte man es überhaupt tun? Könnte es den Zauber brechen?“ Sonic Youth-Frontmann Thurston Moore sieht das etwas anders: „Wenn ich sehe, dass solche Demagogen-Clowns wie Putin und Kim Jong-un in diesen Strom eintreten, stöhne ich auf, denn ich würde diesen Kriegstreibern lieber keine Energie geben. Aber wie alles in unserem Punkrock-Universum ist nichts heilig.“ Man könnte auch sagen: Das schlichte Motiv ist so ikonisch, dass man es einfach kopieren musste.

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